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Wenn der Tod seine Schatten wirft, macht das Angst.

  • Autorenbild: Yvonne Albrecht
    Yvonne Albrecht
  • 27. Feb.
  • 7 Min. Lesezeit

Doch warum ist das so?

Warum meiden wir dieses Thema, obwohl es uns alle betrifft?

Trauer, Sterben und Tod unterliegen, wie vieles andere, einem Wandel.

Während in anderen Lebensbereichen das Verständnis für emotionale Befindlichkeiten steigt, scheint der Tod aus unserer Gesellschaft immer weiter verdrängt zu werden.


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Auch Trauer, Sterben und Tod unterliegen dem Wandel.


Früher war der Tod in der Gesellschaft allgegenwärtig. Schlechte medizinische Versorgung und schwierige Lebensbedingungen führten zu einer hohen Sterblichkeitsrate. Auch Kinder starben viel häufiger als heute. Mit der gestiegenen Lebenserwartung haben sich jedoch nicht nur unsere Ansprüche an das Leben verändert, sondern auch die Anforderungen an den Einzelnen.

Während es einst selbstverständlich war, dass Menschen zu Hause starben und der Tod Teil des Alltags war, wird er heute oft aus unserem Blickfeld verbannt – in Krankenhäuser und Pflegeheime.

Es war mal völlig normal, dass Trauernde schwarze Kleidung trugen – oft ein ganzes Jahr oder sogar länger. Dieses sichtbare Zeichen diente dazu, der Gesellschaft mitzuteilen: Hier ist jemand in Trauer, bitte nehmt Rücksicht. Jeder konnte auf den ersten Blick erkennen, dass diese Person einen Verlust erlitten hatte, und entsprechend sensibler reagieren.

Heute hingegen ist dieser Brauch nahezu verschwunden. Schwarze Kleidung wird meist nur noch am Tag der Beerdigung getragen, danach kehrt optisch schnell wieder der Alltag ein. Doch was bleibt, ist die Trauer – unsichtbar für andere, aber weiterhin präsent für die Betroffenen.

Zeitgleich vermitteln Werbung und Fernsehen eine klare Botschaft:

Das Leben soll perfekt sein, ohne Makel oder Probleme – ein unendliches Leben in ewiger Schönheit und Jugend.

Ein Ideal, das den Tod als natürlichen Teil des Lebens verdrängt und es uns ungleich schwerer macht.


Tatsächlich ist das Leben so ganz anders.


Wenn ich mit Fremden über meinen Beruf und meine ehrenamtliche Arbeit spreche, höre ich nach einem tiefen Atemzug meines Gegenübers oft: „Toll, dass du das machst, aber ich könnte das nicht!“ Und dann kommen wir ins Gespräch. Ich spüre, dass da Bedarf ist – Interesse am Thema, aber auch große Unsicherheit.

Weil es am Ende doch jeden betrifft. Jeder von uns wird sterben, und jeder von uns steht irgendwann vor der Herausforderung, Abschied zu nehmen.

Den Tod in unser Leben zu lassen, bedeutet, sich auch mit der eigenen Vergänglichkeit auseinanderzusetzen.


„Ist deine Aufgabe nicht furchtbar traurig?“


Ja, natürlich ist sie auch traurig. Denn der Grund meines Besuches ist kein freudiges Ereignis. Aber sie ist auch besonders. Sowohl in der Begleitung von Sterbenden und ihren Angehörigen als auch im Umgang mit Trauernden darf ich für Menschen da sein – so wie ich bin, ohne mich verstellen zu müssen, und mit allem, was ich zu geben habe.

Und dafür bekomme ich so vieles zurück. Es ist nicht nur der Einblick in die Lebensgeschichte anderer Menschen, sondern die Tiefe in diesen besonderen Begegnungen.

Sie glauben gar nicht, wie viel ein zartes Lächeln bedeuten kann.


Denn allzu häufig ist das Leben mühselig. Sorgen drängen sich in unsere Träume, und manche Herausforderungen scheinen unüberwindbar. Und auch der Tod tritt oft unerwartet in unser Leben.

Manche Menschen sind jedoch auch froh darüber, dass das Leben endlich ist. Es sind oft die Älteren unter uns, die sagen: „Ewiges Leben? Nein, danke! Ich habe mein Leben gelebt und bin froh, wenn die Mühsal irgendwann ein Ende findet.“

Aus dieser Perspektive kann das Ende des Lebens nicht nur als Verlust, sondern auch als Erleichterung empfunden werden.


Die Angst vor dem Sterben


Trotzdem ist das so eine Sache mit dem Sterben. Es heißt ja nicht, dass das leicht ist.

Und mancher hat große Angst davor.

Ich lade Sie ein, diese Angst genauer anzuschauen.

Vielleicht hilft es, klarer zu unterscheiden: Geht es um das Sterben selbst, also den Prozess, der zum Tod führt oder um den Tod als endgültigen Abschluss? Betrifft die Angst meine eigene Vergänglichkeit, die Tatsache, dass ich zurückbleibe oder selbst Menschen zurücklassen muss, die ich liebe? Diese Fragen können ein erster Schritt sein, um die Angst greifbarer zu machen.


Was kann ich gegen die Angst tun?


Es gibt keine allgemeingültige Antwort auf diese Frage, denn die Angst vor dem Sterben und dem Tod ist so individuell wie die Menschen selbst. Doch eines steht fest: Je mehr wir uns damit beschäftigen, desto eher können wir Wege finden, die Angst zu lindern.

Manchmal hilft es, offen über unsere Ängste zu sprechen – mit vertrauten Menschen, in einer Trauergruppe oder mit jemandem, der uns begleitet. Worte geben dem Unfassbaren eine Form und helfen, das Chaos der Gefühle zu ordnen.

Auch Rituale können helfen. Ein Brief an die eigene Angst, eine Kerze für einen besonderen Moment oder das bewusste Gestalten von Abschieden – all das kann uns helfen, ein Stück Kontrolle zurückzugewinnen und die Ungewissheit zu akzeptieren.

Es ist ein herausfordernder Weg, keine Frage. Aber vielleicht erlaubt uns die Auseinandersetzung, eines Tages mit etwas mehr Frieden auf das Unvermeidliche zu blicken. Und wer weiß – vielleicht begegnen wir auf diesem Weg nicht nur unserer Angst, sondern auch einer neuen Wertschätzung für das Leben.


Der Umgang mit Trauernden


Trauer ist unbequem und kostet viel Kraft – für die Trauernden selbst und für ihr Umfeld. Sie konfrontiert uns mit unserer Hilflosigkeit. Menschen wissen oft nicht, wie sie mit Trauernden umgehen sollen:

„Was soll ich sagen? Wie kann ich helfen, ohne es schlimmer zu machen?“

Doch Trauer ist individuell. Was sich richtig anfühlt, entscheidet nur der Trauernde selbst.

Manchmal muss erst ein Knoten platzen, bevor jemand wieder atmen kann. Es ist wichtig, Geduld zu haben und einfach da zu sein, ohne Erwartungen oder Urteile.

Da zu sein, Schweigen auszuhalten und Tränen anzusehen – das ist keine leichte Aufgabe. Doch gerade darin liegt eine besondere Stärke: Mitgefühl zu zeigen und den Raum zu halten, den der Trauernde braucht.


Raum für Trauer schaffen


Anstatt Trauer als Störfaktor zu betrachten, könnten wir sie als natürlichen Teil des Lebens akzeptieren. Denn Trauer ist nicht nur Schmerz – sie ist Ausdruck von Liebe und Wertschätzung für das, was wir verloren haben.


Lassen Sie uns als Gesellschaft Raum geben für die Trauer und lassen Sie denjenigen, der sie durchlebt, in seinem eigenen Tempo voranschreiten.

Denn Trauer ist nicht das Gegenteil von Leben – sie ist ein Teil davon.



Was ist Trauer eigentlich?



Trauer ist der Schmerz unserer Seele, der bei Verlusterlebnissen auftritt.

Trauer kann zwar krank machen, ist aber selbst keine Erkrankung, sondern ein ganz normaler, gesunder und auch wichtiger Prozess. Doch nicht gelebte und gar unterdrückte Trauer kann auch Jahre später noch unangenehme und sogar gesundheitliche Folgen haben.



Und warum trauern wir?



Abgesehen von den offensichtlichen Ereignissen, wie dem Tod von uns nahestehenden Menschen, kann es auch bei anderen schmerzlichen Ereignissen zu großer Trauer kommen.

Dazu gehört beispielsweise auch, das Verlieren von Fähigkeiten, die für unser Leben selbstverständlich und bedeutungsvoll sind. Wie ist es, wenn wir nicht mehr richtig sehen können, die Bewegungen und die Mobilität eingeschränkt sind? Vielleicht können wir nicht mehr alleine einkaufen gehen, oder überhaupt das Haus verlassen. Oder, wenn das Autofahren zu einer riesigen Herausforderung wird, weil der Verkehr unübersichtlich und hektisch ist.

Plötzlich werden meine bis dahin noch so selbstverständlichen sozialen Kontakte und damit meine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben stark eingeschränkt.

Wenn der Zeitpunkt kommt, an dem ich auf Hilfe von anderen angewiesen bin, nehme ich Abschied, von meiner Selbstständigkeit, von dem, was mein Leben maßgeblich ausgemacht hat.

Auch, wenn es uns meist nicht so bewußt ist, bereiten uns diese „kleinen Tode“ in mehr oder weniger kleinen Schritten auch auf das große Abschiednehmen vor.


Wenn ich eine tödliche Diagnose bekomme, ändert sich für mich alles.

Denn mir wird mitgeteilt, dass ich mit einem Schlag alles verliere, was für mich wichtig ist.

Und dabei sagt mir niemand, wie viel Zeit mir noch bleibt. Nicht nur für den Betroffenen selbst ist das der Beginn eines Alptraumes - auch seine Angehörigen, Freunde und Wegbegleiter werden unmittelbar involviert.


Und selbst der Verlust eines Haustieres, der für ein Kind oder auch einen Erwachsenen ein wichtiger „Partner" und Gefährte war kann große Trauer auslösen.

Denn das Tier, war oft in allen Lebenslagen an unserer Seite - teilte nicht nur Freude, sondern auch Leid mit uns.


Bis dahin ist die Trauer für die meisten Menschen noch gut nachvollziehbar. Mit Unverständnis reagieren manche, wenn es um den Verlust von Dingen geht, die vermeintlich ja nur einen materiellen Wert haben. Ein Wohnungseinbruch, bei dem die Uhr meines vor vielen Jahren verstorbenen Vaters gestohlen wird. Das einzige Erinnerungsstück, dass meine Verbindung zu ihm greifbar macht. Oder das für andere Menschen völlig wertlose Auto, das bei einem Unfall zum Totalschaden wird. Vielleicht hab' ich mich damit gerade so über Wasser gehalten und kann kann mir auf keinen Fall ein Neues leisten?

Auch ein von Pilzen befallender und nicht mehr zu rettender Baum, den ich vielleicht vor vielen Jahren zusammen mit meinem bereits verstorbenen Partner gepflanzt habe, kann Trauer verursachen.

Was ist, wenn ich meine Arbeitsstelle verliere, so wie es in der wirtschaftlichen Lage vieler Unternehmen heute manchem ergeht? Ein junger Mensch wird vielleicht eher sagen: Kein Problem, ich finde schon was neues!" Was aber, wenn ich über fünfzig und der Alleinverdiener in der Familie bin?

Was ist mit Menschen, die ihr Eigenheim aus ganz unterschiedlichen Gründen plötzlich verlassen müssen? Sie verlieren nicht nur ihre vertraute Umgebung, ihr Zuhause! Sie verlieren vielleicht auch ihren gesellschaftlichen Status oder einfach nur Ruhe und den seelischen Ausgleich durch den eigenen Garten!


Es gibt vielfältige Gründe, zu trauern.

Alles was uns in irgendeiner Weise wertvoll erscheint und zu unserem Lebensinhalt beiträgt, kann Trauer auslösen.


Denn alle diese Dinge erlangen nur durch die Bedeutung, die wir Ihnen geben einen Wert und sind damit auch direkt mit uns verbunden.

Oft entsteht in unserem Alltag mit Menschen, Tieren und auch Dingen eine Selbstverständlichkeit, so dass erst das Fehlen aufzeigt, wie sehr wir damit verbunden waren und wie groß der Einfluss tatsächlich ist.

Der Verlust fühlt sich dann an, als würden wir selbst oder aus uns etwas herausgerissen werden. In unserem tiefsten Inneren - in unserer Seele - entsteht eine schmerzhafte Wunde, die eine Zeit der Heilung benötigt.


Doch oft bleiben trotzdem Narben zurück, die uns fortwährend daran erinnern.


Und bei all dem ist es umso wichtiger Abschied zu nehmen. Um diese einschneidende Lebensveränderung begreifen zu können. Als Angehöriger, Freund oder Wegbegleiter sind sie die Überlebenden. Denn für Sie geht es weiter, das Leben. Anders!

Aber vielleicht auch mit neuen Chancen.


Und so tauchen auf den zweiten Blick noch viel mehr Themen auf.


Erinnerung an das Gelebte, Trost in diesem unglaublichen Verlust. Aber auch Hoffnung und Mut, mit der Trauer, einen neuen Lebensweg zu entwickeln.


 
 
 

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